Berlin-Marathon

Berlin – die perfekte Stadt für den ersten Marathon

Ich habe mich im Juli 2014 ganz spontan für einen Startplatz für den Berlin-Marathon beworben. Die eigentlichen Startplätze wurden, wie immer verlost und waren zu dem Zeitpunkt auch längst vergeben. Ich hatte an der Verlosung auch gar nicht teilgenommen. Aber, nachdem ich im 17. Mai 2014 meinen ersten Halbmarathon auf dem Rennsteig gelaufen bin, dachte ich mir – versuchst es doch dann auch gleich mit dem Marathon. Über Facebook bin ich auf Wobenzym aufmerksam geworden. Hier konnte man an einem Fotowettbewerb teilnehmen. Gesagt, getan.

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Kurze Zeit später hatte ich meinen Startplatz. Nun musste ich mich in weniger als drei Monaten auf den Marathon vorbereiten. Die Vorbereitung verlief auch gut, bis ich nach einer Laufeinheit in meinen neuen Schuhen plötzlich einen geschwollen Knöchel feststellte. Ich spürte keinen starken Schmerzen, weshalb ich am nächsten Tag einfach die nächste Einheit angeschlossen habe. Die Zeit war ja, wie schon gesagt, knapp. Ganze 13 Kilometer habe ich an diesem Tag geschafft. Dann musste ich das Training abbrechen. Mein Sprunggelenk war stark angeschwollen, ich konnte mit dem linken Fuß nicht mehr auftreten und musste noch drei Kilometer bis nach Hause gehen. Ich habe gleich am nächsten Tag alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Drei Stunden verbrachte ich im Wartezimmer des Orthopäden, den Physiotherapeuten holte ich quasi aus seinem Urlaub, eine Heilpraktikerin wurde zusätzlich ins Boot geholt und alle Tanzproben (ein weiteres Hobby) wurden auf Eis gelegt. Fast sechs Wochen musste ich nun pausieren. Acht Wochen vor meinem ersten Marathon. Das sah nicht gut aus. Aber für mich gab es kein zurück. Am 06. September 2014 bin ich, mit der Teilnahme am Sportschecklauf in Erfurt, das erste Mal wieder richtig gelaufen. Mein Sprunggelenk war getaped und die Schmerztabletten hatte ich in meiner Hosentasche. Überglücklich bin ich nach 51 Minuten im Ziel angekommen. Ohne Beschwerden.

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Dennoch standen bis zum Marathon weitere Behandlungen auf dem Plan. Lange Läufe waren zudem untersagt. In der Hoffnung, dass ich in den letzten Wochen sowieso die rundausdauer nicht mehr wirklich steigern konnte, fieberte ich dem großen Event in Berlin entgegen.

Drei Tage vor der Reise nach Berlin dann der nächste Rückschlag. Eine Erkältung. Aber auch diese wollte ich nicht als Grund nehmen nicht am Marathon teilzunehmen. Und so fuhren wir am 27. September nach Berlin. Mein Mann, meine Tochter, meine Mutter, meine Schwester und meine Schwägerin mit ihren Kindern waren mit dabei. Alle wollten mich unterstützen und mir beistehen. Das war ein tolles Gefühl.
Gemeinsam mit meinem Mann und meiner Tochter bin ich zum ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof gefahren, um die Startunterlagen abzuholen. Hier bin ich schon das erste Mal so richtig in Vorfreude und Stimmung gekommen.

Alle waren gut gelaunt, überall sah man die Läufer mit ihren Berlin-Tüten, die Aussteller versuchten einem noch kurz vor dem Lauf das nötige Material zu verkaufen und der riesige Heißluftballon von BMW erstrahlte auf dem riesigen Flughafengelände in der langsam untergehenden Sonne.

Am frühen Abend sind wir alle gemeinsam aufgebrochen um noch etwas zu Essen zu finden. Natürlich habe ich alle am Startbereich des Marathons vorbeigetrieben. Ich wollte wissen wohin ich am nächsten Morgen musste. Ich war aufgeregt wie verrückt und wollte jeden Schritt genau planen.

Leider ließ die Nervosität im Laufe des Abends nur wenig nach. Wirklich viel essen konnte ich nicht. Während meine Familie nach der Stärkung noch zum Fernsehturm aufbrach, habe ich den Rückweg angetreten. Es war immerhin schon 21.30 Uhr und ich wollte am nächsten Tag zeitig aufstehen um genau im Zeitplan bleiben zu können. Zurück im Hotel (Meininger Hof – direkt am Hauptbahnhof und 500 Meter vom Startbereich entfernt) habe ich mir alle Sachen genau zurecht gelegt. Den Sport-BH, die Hose, mein Top, die Compressionsstrümpfe, einen Pullover… Den Wecker habe ich drei Mal gestellt, denn verschlafen wollte ich auf keinen Fall. Dann bin ich ins Bett gefallen. Doch wir alle wissen, wie gut wir schlafen, wenn wir nervös sind.
Am nächsten Morgen bin ich quasi aus dem Bett gesprungen. Alles lief nach Plan. Ich war pünktlich zum Frühstück. Da ich mich vorher genau belesen hatte, wie ich mich ernähren sollte, wusste ich was ich essen wollte. Der gesamte Frühstücksraum war voller Läufer. Immer wieder fielen meine Blicke auf die Teller der anderen…was essen die? Esse ich zu viel? Esse ich zu wenig? Esse ich das Falsche? Im Endeffekt hat jeder etwas anderes gegessen. Der eine nur Obst, die andere nur Haferflocken, die Nächste trank nur Kaffee. Ich blieb bei meinen Brötchen mit süßem Brotaufstrich, einer Schüssel Obst mit Joghurt und Müsli und einem frischen Orangensaft. Dazu noch eine Tasse Kaffee. Ich fühlte mich super. Es konnte losgehen.

Ich habe mich mit einem Arbeitskollegen und seiner Familie am Bahnhof getroffen. Micha! Micha ist selbst kein Läufer, dafür aber sein Schwager und seine Nichte. Ich war sehr froh, dass ich mit ihnen gemeinsam zum Startbereich aufbrechen konnte. Schade, dass mich meine Familie nicht begleitet hat. Langschläfer.

Im Startbereich war schon sehr viel los. Die Wege zwischen den Startblocks sind unwahrscheinlich lang, was normal ist, wenn man bedenkt, dass sich dort über 40000 Läufer sammelten. Nach einem kurzen Fotoshooting sind wir schließlich aufgebrochen…rein in das Getümmel und auf zum Startfeld. Auf dem Weg konnten wir noch unsere Kleidersäcke abgeben. Alles war super organisiert.

Da wir drei im selben Feld an den Start gingen, konnten wir bis zum eigentlichen Start zusammen bleiben. Im Startblock war eine geniale Stimmung. Wir haben mitbekommen, wie die Topläufer gestartet sind und haben mitgefiebert, dass sie die Weltrekorde knacken würden. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

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Schließlich konnten auch wir loslaufen. Bis wir über die eigentliche Startlinie gelangten, verging einige Zeit. Doch dann ging es los. Im Blick die Siegessäule. Überall Zuschauer, die uns zujubelten und uns anfeuerten. Man hat sich kurz wie ein kleiner Star gefühlt.

Das Wetter war super. Die Sonne schien bereits und wir hatten schon jetzt Temperaturen über 15° C. Wir wussten also, dass es gegen Mittag recht warm werden könnte. Für die Zuschauer und das Gefühl, Berlin und den Marathon zu erleben, war das Wetter aber optimal.

Die ersten Kilometer liefen reibungslos. Ich war immer wieder erschrocken, dass ich bereits nach den ersten wenigen Kilometern Aussteiger gesehen habe. Wie können die schon nach so kurzer Zeit aufgeben, habe ich mich gefragt. Aber egal…ich musste mich auf mich selbst konzentrieren. In meiner Lauftasche hatte ich Schmerzmittel und mein Asthmaspray verstaut. Dadurch fühlte ich mich sicherer. Am Anfang habe ich auch noch realisiert, wo lang die Marathonstrecke führte. Vorbei an zahlreichen Musikbands, den Friedrichstadtpalast im Blick und den Fernsehturm vor Augen. Nach 11 Kilometern habe ich in meiner Lauftasche gewühlt. Ich wollte auf mein Handy schauen um zu sehen wo meine Familie war, mit der ich aktuell noch über WhatsApp kommunizierte.

Dabei ist mir mein Asthma-Spray herausgefallen. Da ich in einem absoluten Durchschnittstempo lief, war ich immer in einer Menschenmasse unterwegs. Es war mir deshalb nicht möglich, das Spray wieder aufzuheben. Noch ging es mir ja gut und ich war optimistisch, dass das auch so bleibt. Nach 13 Kilometern habe ich dann meine Familie das erst mal gesehen. Ich war überglücklich…meiner Tochter und meinem Mann habe ich noch einen dicken Kuss verpasst und weiter ging es.
Nach etwa 17 Kilometern habe ich gemerkt, dass die Luft langsam knapp wird. Über das Handy habe ich meiner Familie mitteilen können, dass ich neues Asthmaspray brauche. Sie haben sich sofort auf den Weg zur nächsten Apotheke gemacht und mir neues Spray besorgt. Ein Glück! Allerdings war ich auf den nächsten Kilometern zu schnell. Sie haben mich leider verpasst. Erst nach 28 Kilometern habe ich meine Schwester mit dem neuen Spray gesehen. Es war dann auch höchste Zeit. Man sah mir an dieser Stelle bereits deutlich an, dass mir die Luft fehlte. Allerdings hatte ich das nach drei weiteren Kilometern wieder im Griff. Weiter ging´s! Jetzt hieß es noch 11 Kilometer überstehen, dann habe ich es geschafft. An aufgeben habe ich nicht ein einziges Mal gedacht, auch wenn ich in der Zwischenzeit die Pacemaker längst aus dem Augen verloren habe. Mein Luftballon mit 3:45 Stunden ist längst davon gelaufen. Zumal der Ballon gleich am Start geplatzt ist, was in meinen Augen ohnehin ein schlechtes Zeichen war. Auch der Ballon mit 4:00 Stunden ist bereits nicht mehr zu sehen. So ein Mist. Und dann – plötzlich läuft der Pacemaker für 4:15 Stunden an mir vorbei. Den darf ich nicht verlieren. An dem muss ich bleiben. Die nächsten Kilometer schleppte ich mich von einem Getränkestützpunkt zum nächsten. Aber nie zu weit weg vom Ballon. Da es die Sonne in der Zwischenzeit echt gut meinte, habe ich immer einen Becher mit kaltem Wasser in der Hand behalten. An dem konnte ich mich festhalten. Außerdem war es eine Erfrischung, das kühle Nass über die Pulsader fließen zu spüren.

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Auf den nächsten Kilometer habe ich immer wieder meine Familie und meinen Kollegen mit seiner Familie gesehen. Es war einfach gut, ihre Stimmen zu hören. Die tollen Musiker am Rande der Straße, die Kinder, die einem die Hände reichten…all das habe ich jetzt nicht mehr so wahrgenommen wie zu Beginn des Laufes. In der Zwischenzeit sucht man ständig nach den Etappenschildern, die nun auch in 500 Meter Schritten angezeigt wurden. Ab dem Kilometer 37 ging es mir wieder besser. Das Ziel rückte näher. Fünf Kilometer. Ich stellte mir die Fünfer-Runde zu Hause vor. Ich wusste genau an welcher Stelle ich mich befand. Noch vier Kilometer …drei…zwei…einer. Die letzte Linkskurve. Vor mir sah ich schon das Brandenburger Tor. Gleich geschafft. Noch einmal sah ich meine Familie auf Höhe des Hotels Adlon. Man hat ihnen angesehen, wie stolz sie sind. Meine Schwester strahlte über beide Ohren. Dann durch das Brandenburger Tor. Jetzt hatte ich das Ziel direkt vor mir! Ein Traum!

Als ich durch das Brandenburger Tor lief wurde gerade „Ein Hoch auf uns“ gespielt. Die Menschen an den Seiten jubelten, die Moderatoren sorgten für eine geniale Stimmung.

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Mein Kollege Micha rief mir ganz knapp vor der Ziellinie noch einmal zu wie gut ich das gemacht habe….und dann hatte ich es geschafft! Ich war im Ziel. Was für ein wunderbares Gefühl. Kein Platz für Schmerzen, Krämpfe, Atemnot oder sonstiges. Einfach nur ein wundervoller Augenblick. Mir wurde meine Medaille überreicht und es wurden Fotos gemacht.

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Ich fühlte mich wie ein Star. Und ich war so stolz auf mich – mein Sprunggelenk hat durchgehalten, die Erkältung hat sich unterdrücken lassen…ich hatte es geschafft. Zwar weit entfernt von meiner Ziel-Zeit, aber geschafft!

Ich habe mir meine Sachen geholt und bin dann direkt zur Physiotherapie gegangen. Es war einfach alles sehr gut organisiert. Vor mir eine riesige Wiese mit unzähligen freiwilligen Physiotherapeuten. Hier habe ich meine Beine richtig durchkneten lassen und das erste Mal gespürt, wie hart meine Waden waren. Das tat gut. Nun wollte ich aber schnell zu meiner Familie, die mich kurze Zeit später überglücklich in die Arme geschlossen hat.

Ein Traum ist wahr geworden!

Nach einer kleinen Stärkung sind wir aufgebrochen. Die Kinder hatten ein Karussell entdeckt, mit dem sie jetzt noch fahren wollten. Mit der U-Bahn ging es Richtung Fernsehturm. Voller Stolz stand ich in der Bahn – meine Medaille um den Hals. Man grüßte sich unter den Läufern…eine große Gemeinschaft.

Den Abend haben wir dann ganz entspannt ausklingen lassen. Am Ludwig-Ehrhard-Ufer haben wir es uns gemütlich gemacht und eine Kleinigkeit gegessen, mit einem Gläschen Weißwein auf die Leistung angestoßen und im Liegestuhl den Sonnenuntergang beobachtet. Alle Ängste der letzten Wochen waren wie weggeblasen. Absolut erledigt sind wir schließlich 20.30 Uhr ins Bett gefallen.

Den Marathon in Berlin erleben – diesen Wunsch sollte sich jeder Marathonbegeisterte Laufjunkie erfüllen. Es war ein unbeschreibliches und unvergessliches Erlebnis. Ich werde irgendwann wieder in Berlin laufen. Mal schauen, ob es dann ebenso genial und emotional wird.

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