FEHMARN – MARATHON 2015 Ein Lauf mit beinahe perfekter Kulisse

Ein halbes Jahr habe ich versucht, mich auf diesen Tag vorzubereiten – unzählige Kilometer bezwungen und immer wieder Rückschläge kassiert… Nun war es endlich soweit, ich konnte MIR beweisen, dass sich die Schmerzen, der Schweiß und alle Mühe gelohnt haben.

Nachdem wir am Vortag erst nach mehr als 15 Stunden auf den Beinen und Rädern, den Campingplatz Wallnau auf der Inseln Fehmarn erreicht haben, war ich wenig motiviert aufzustehen, als mein Wecker morgens 6.45 Uhr klingelte. Eigentlich wird empfohlen, mindestens drei Stunden vor dem großen Lauf auf den Beinen zu sein. Aber ganz ehrlich – ich schlief in einem Wohnwagen, bis etwa fünf Uhr hatte es geregnet…und wer liebt das nicht? Im Bett liegen, während die Regentropfen gleichmäßig auf das Dach tröpfeln. Ich wäre auf alle Fälle niemals früher aufgestanden.

Sieben Uhr und damit immer noch zwei Stunden vor Start sprang ich schließlich aus dem Bett. So richtig Lust auf 42 Kilometer hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich schlich mich erstmal in das Gemeinschaftsbad des Campingplatzes, warf mir dort mehrere Hände kaltes Wasser ins Gesicht, putzte die Zähne, malte mir ein kleines Bisschen Farbe ins Gesicht, verpasste mir schon die Frisur für den Lauf und sprang auch gleich in mein für heute gewähltes Laufoutfit. Gut, dachte ich. Langsam kommt die Motivation.
Zurück im Wohnwagen schmiss ich Benny aus dem Bett. Ich hatte Hunger und tierisch Lust auf Kaffee und ein kaltes Energie-Getränk. Außerdem wollte ich bitte Obst, einen Joghurt und etwas Herzhaftes zwischen die Zähne bekommen, um mir eine ordentliche Grundlage zu schaffen. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum kleinen Supermarkt auf dem Campingplatz. Anders als erwartet gab es hier wirklich einfach alles was wir brauchten. Einem richtig umfangreichen Frühstück stand also nichts im Weg.

Gut gesättigt machten wir uns gegen 8.30 Uhr auf den Weg zum Startbereich. Ich musste auch noch meine Startnummer holen…wie immer auf dem letzten Pfiff…aber nie zu spät 🙂 Sehr stolz präsentierte ich meine Nummer – die 10! Wenn das kein Zeichen für ein Platz unter den Top 10 ist – hihi.

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Der Moderator stellte noch kurz verschiedene Läufer vor. Ich muss zugeben, ich hatte die ganze Zeit die Hoffnung, dass die Strecke mit etwas Glück kürzer als die regulären 42,195 Kilometer sind (immerhin beschummeln die meisten Veranstalter).  Doch dieser kleine Funken Hoffnung zerbrach, als ein Soldat vorgestellt wurde, der diesen Marathon zur Qualifikation für die Military World Games 2015 benötigte. Damit wusste ich – die Strecke muss offiziell vermessen sein, sonst würden er diesen nicht nutzen können. Nun ja…dann also doch ohne Beschummeln die komplette Distanz!

Die Zeit verging wie im Flug. Ich hielt die Augen nach der Siegerin aus dem letzten Jahr offen, fand sie aber nicht. Erst auf den Bildern vom Start sah ich, dass sie neben mir stand. Naja…man darf vor einem Marathon schon mal etwas verwirrt sein.

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Pünktlich 9 Uhr ist der Startschuss gefallen. Ein letztes Mal konnte ich Benny zuwinken, bevor ich gemeinsam mit den anderen Läufern über den Campingplatz hinunter zur Küste lief. Eigentlich habe ich mit einer leichten Meeresprise gerechnet, aber die Luft stand. Bereits nach dem ersten Kilometer lief mir der Schweiß, als wäre ich bereits zehn gelaufen. Die Sonne versteckte sich noch hinter den Wolken, aber es war unwahrscheinlich schwül. Nach etwa 2,5 Kilometern wechselte die Strecke dann vom asphaltierten Radweg  auf Schotterweg auf dem Damm. Aber auch hier wehte bislang kein Lüftchen. Dafür konnte ich hier eine wirklich tolle Kulisse genießen. Am Horizont beobachtete ich Schiffe, an der Küste standen zahlreiche Angler, ich lief vorbei an Schafen, hin und wieder haben mir Familien zugewunken, die gerade frühstückten…es war eigentlich wirklich schön anzusehen und schön entspannt. Überhaupt kein Stress. Ich sah hin und wieder auf meine Uhr. Mein Puls war bereits jetzt sehr hoch und ich war mit der Pace von teilweise unter fünf Minuten auch deutlich zu schnell. Stück für Stück drosselte ich das Tempo, aber so richtig leicht fiel mir das nicht. Es ist schwer ruhiger zu laufen, wenn du das Gefühl hast, du könntest in diesem Tempo doch eigentlich ewig laufen…auch wenn ich wusste, dass dies nicht der Fall ist.

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Nach etwa 10 Kilometern führte die Strecke dann weg von der Küste. Ab jetzt lief ich auf asphaltierten Straßen. Die Insel ist so wenig befahren, dass eine Straßenabsperrung nicht nötig war. Hin und wieder saßen Kinder oder Jugendliche an Punkten an denen die Straßenseite gewechselt werden musste…kam doch mal ein Auto, konnte dieses von den jungen Helfern gestoppt werden.
An den Seiten verfolgte ich fleißig die Markierungen und dachte immer – Ach, Kilometer 33…wenn du in der nächsten Runde hier bist, dann hast du es fast geschafft 🙂 Alles verlief gut. Ich war mit meiner Zeit bislang absolut zufrieden und die Beine machten auch einen guten Eindruck. Trotzdem griff ich beim Kilometer 16 zum Telefon um Benny anzurufen. Es sollte sicherheitshalber die Ibu einpacken, es kann sein, dass die Schienbeine nicht durchhalten.

Nach etwa 1:52 lief ich wieder über den Campingplatz. Ich hatte die erste Runde geschafft. Ich war eigentlich noch absolut fit und motiviert…wobei ich nicht behaupten kann, dass ich nicht auch gern einfach auf dem Campingplatz geblieben wäre.

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Benny wartete bereits mit dem Rad. Es war ausgemacht, dass er mich in der zweiten Runde begleiten sollte. Die Schienbeine fingen nun doch an ein  wenig zu schmerzen, weshalb ich mich gleich für die Einnahme der Ibu entschlossen habe. Klar weiß ich, dass es nicht gut ist den Schmerz zu unterdrücken und weiterzumachen. Aber wenn das die Chance ist den Lauf gut durchzuhalten, dann ist einem so ziemlich jedes Mittel recht.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mich auch noch gut mit Benny unterhalten. Allerdings merkte ich schon jetzt, dass auch bei einer Pace um die 5:30 der Puls nicht von der 175-180 herunter kam. Benny redete mir gut zu, bat mich auch etwas ruhiger zu werden. Ich werde dann von ganz allein langsamer, glaub mir, erklärte ich ihm.
Genau wie ich es erwartet hatte ließen meine Kräfte Stück für Stück nach…bis zum 30. Kilometer ist es wenig problematisch…doch danach beginnt der Kampf. Es war gut, dass Benny mich begleitete, so konnte er mir an den Getränkestationen immer noch einen Becher Wasser mitnehmen. Ich sehnte mich nach der 33 Kilometermarke…diesen Punkt hatte ich doch noch aus der ersten Runde in Erinnerung. Ab jetzt wurde es immer schwerer. An den Getränkepunkten blieb ich plötzlich stehen. Benny hat begonnen mir das Wasser in den Nacken zu gießen, denn die Sonne brannte in der Zwischenzeit und die Hitze kostete zusätzlich Kraft.

Mein eigens bestimmter Hase hatte leider nach etwa 22 Kilometern eine Pause eingelegt und nicht wieder aufgeholt…ich musste mir also einen neuen Hasen suchen. Der Mann in schwarz hatte bereits mehrfach Gehpausen eingelegt, der war vielleicht nicht das optimale Zugpferd. Aber dann entdeckte ich ihn. Der junge Mann im Sportschecklaufshirt. Er ist nach etwa 5 Kilometern an mir vorbeigezogen und war lange nicht in Sicht. Doch bei Kilometer 30 war er plötzlich wieder vor mir. Erst erzählte mir Benny ständig – guck mal, der geht schon, den kriegst du. Hatten wir den, verlangte er von mir, dass ich nun doch auch gefälligst noch den jungen Mann im Sportschecklaufshirt einholen sollte. Ich hätte ihn am liebsten von seinem Fahrrad geworfen. Mir geht es überhaupt nicht darum irgendjemanden einzuholen…ich möchte bitte einfach nur selbst ankommen…und zwar möglichst unter vier Stunden.

Nun ja, ab Kilometer 35 kam ich diesem jungen Mann auf alle Fälle immer näher. Gemeinsam stoppten wir an den Getränkestationen. Doch er startete immer in einem zügigerem Tempo als ich. Allerdings hielt er dieses nie lange, so dass ich ihn schnell wieder am Hintern klebte. Etwa auf Kilometer 37 lief ich an ihm vorbei. Endlich! Benny konnte also endlich still sein, freute ich mich. Kurz darauf müssen wir am letzen Getränkepunkt angekommen sein. Ich hab kein Bock mehr! Blaffte ich Benny und die Jugendlichen, die die Getränke ausgaben, voll. Mensch, das Stück noch. Gleich ist es doch geschafft. Mist! Jetzt lief der junge Mann doch tatsächlich früher los als ich. Prima, jetzt musste ich den wieder einholen. Nur noch drei Kilometer – wollte mich Benny beruhigen. Mann ej, es sind verdammt nochmal 42 Kilometer und keine 40!!! Warf ich ihm irgendwie zurück. Er war immer noch der Meinung, dass man die letzten zwei Kilometer doch dann eh nicht mehr spürt. Ich begann ihm nicht mehr zuzuhören. Langsam versank ich in meiner eigenen Welt. 38 Kilometer geschafft – auch an diesen Punkt konnte ich mich erinnern. Etwa auf Kilometer 40 lief ich schließlich wieder an dem jungen Mann vorbei. Jetzt hatte ich niemanden mehr vor mir. Nun hatte ich nur noch die Zeit im Blick. Ich spürte nichts mehr…und ich hörte nichts mehr. Benny konnte mir erzählen was er wollte. Ich wechselte hin und wieder die Schritttechnik…und plötzlich hörte ich den Morderator. Vor mir sah ich die letzte Kurve und die letzte Brücke. Ich wusste, dass ich hinter dieser Brücke das Ziel vor Augen habe. Jetzt war alles egal. Ich wurde auch wieder schneller. Es war kein Schmerz mehr zu spüren…auf dem Boden las ich 42km…nur noch 195 Meter, dann bist du im Ziel!!! Ich lief ohne etwas um mich herum wahrzunehmen. Doch dann passierte es…der Moderator begrüßte mich…und nannte einen falschen Namen. Ich stockte kurz und gab mit Handzeichen zu verstehen, dass das nicht stimmt – Gott nochmal, ich bin unter vier Stunden, wehe ich bin auf einen falschen Namen gelaufen. Ich dachte ich flippe aus! Doch es war sein Fehler, er hat sich verlesen…und somit konnte ich überglücklich die Zielliene überqueren.

Ich sank sofort zu Boden. Ich war am Ende – auch am Ende meiner Kräfte! Aber überglücklich und mit der Zeit von 3:57:22 auch absolut zufrieden.

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Der Fehmarn-Marathon ist ein kleiner sehr familiärer Lauf, aber trotzdem toll. Ich konnte mir in dem kleinen Startfeld gute Plätze sichern. Unter den Frauen wurde ich Fünfte und mit dem 25. Platz insgesamt bin ich auch sehr zufrieden.

Nun konnte ich mir das alkoholfreie Bier in  der Sonne schmecken lassen, konnte die nach und nach hereinlaufenden Marathonis anfeuern und schließlich auch die Siegerehrung miterleben. Ein gutes Gefühl!

Eine Woche nach dem Marathon freue ich mich nun auch auf den nächsten – München, ich komme!

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