Ich muss gestehen, dass ich mir vor dem Lauf nicht allzu viele Gedanken über die Strecke gemacht hatte. Klar war mir bewusst, dass ein Halbmarathon in den Bergen für mich sehr anstrengend werden würde, aber ich hoffte, dass ich das mit Janes Unterstützung schon irgendwie schaffen würde. Da es mein erster Halbmarathon war, wusste ich auch nicht wirklich worauf ich achten musste. Umso besser, dass meine große Schwester an alles gedacht hatte. Sicherheitshalber hatte sie alles im Doppelpack dabei und konnte mich mit der notwendigen Kleidung als auch Verpflegung für den Weg eindecken. Da ich in den letzten Wochen eher Abitur und andere Dinge im Kopf hatte, begann die Aufregung erst so richtig vor Ort. Dort dafür umso mehr, besonders während wir in unserem Startblock auf den Startschuss warteten.
Die ersten Kilometer auf einem Feldweg durch den Wald waren super zu laufen. Die Anstiege konnten noch ohne Probleme gemeistert werden und ich war noch super gelaunt und voller Elan. Nach dem Wald ging es vorbei an einem See und begeisterten Zuschauern. Das steigerte den Kampfgeist doch noch einmal. Dann begann der Streckenabschnitt rund um den Aletsch mit einem etwa einen Kilometer langen Anstieg. Diesen nahm ich noch motiviert, doch im Anschluss begann die gute Laune langsam zu verfliegen. Das ständige Auf und Ab begann mich zu nerven und ich wünschte mir die flachen Laufstrecken in unserer Umgebung zurück.
Ab Kilometer 14 war bei mir die Luft raus. Ich hatte das Gefühl keinen einzigen Anstieg mehr gehen zu können. Die Beine brannten, die Laune war am Nullpunkt. Meine Schwester, die versuchte, mich irgendwie zum Weiterlaufen zu bewegen, wurde angepflaumt. Immer wieder überlegte ich, ob ich nicht einfach abrechen soll. „Warum tu ich mir das eigentlich an, den letzten Anstieg mit über 500 Höhenmetern schaffe ich sowieso nicht…“. Auf dem Moosfluh (Kilometer 16) dann die letzte Möglichkeit per Seilbahn zurück zum Start zu gelangen. „Du musst dich jetzt entscheiden. Entweder du brichst ab und fährst runter oder du ziehst durch.“ Aber will man wirklich fünf Kilometer vorm Ziel aufgeben? Nein. Ich weiß nicht, ob es an der Entscheidung lag, die ich an dieser Stelle traf oder ob Janes Gel Chips endlich wirkten, auf jeden Fall kam mit der Willenskraft auch irgendwann die körperliche Kraft wieder ein wenig zurück. Ich versuchte die meisten Streckenabschnitte noch einmal schneller laufend zu meistern, aber an den Anstiegen fehlte einfach die Kraft.
Vor den letzten zwei Kilometern hatte ich besonders viel Respekt. Hier ging es bis zum Ziel so steil bergauf, dass man es schon fast als Klettern bezeichnen könnte. An dieser Stelle muss ich einmal erwähnen, wie beeindruckt ich von den Spitzenläufern bin, die selbst diesen Abschnitt rennend zurücklegten. Mich strengte bereits der langsame Aufstieg an und ich war froh, meine Schwester bei mir zu haben, die mich nicht nur mental mit sich zog. Spätestens bei diesem Aufstieg konnte man dann auch spüren, dass die Luft dünner wurde. Zum Glück gab es hier wieder ein paar mehr Zuschauer, die einen anfeuerten und da man bereits die Musik und Ansagen vom Ziel hören konnte, trug einen der Gedanke, es bald geschafft zu haben, weiter.
Der Anstieg endete etwa 10 Meter vorm Ziel. Auf diesem letzten Stückchen war dann all die Anstrengung vergessen und gemeinsam mit Jane rannte ich über die Ziellinie. Auf dem Bettmerhorn konnte auch ich dann endlich die Aussicht genießen, was mir während des Laufens nicht wirklich gelang. Der Lauf entlang des Aletschgletschers war definitiv nicht so, wie ich mir meinen ersten Halbmarathon vorgestellt hatte, mal abgesehen davon, dass ich vor zwei Monaten nicht im Traum daran gedacht hätte, überhaupt irgendwann mal so eine Strecke zu laufen. Für mich war es nicht nur ein Lauf, sondern ein Hardcoretraining. Ich hatte nicht erwartet, dass ich zwischendurch so fertig sein würde. Umso glücklicher bin ich jetzt allerdings, dass ich es durchgezogen habe. Ein großes Dankeschön hier noch einmal an die vielen netten Läufer, die einen auf der Strecke mit lustigen Gesprächen aufgeheitert haben und meine Schwester, ohne die ich vermutlich abgebrochen hätte!